Die australische Tragödie

Ameisenerlebnisse von Reisen oder Exkursionen

Die australische Tragödie

Beitragvon earlant » 29. Nov 2006 21:14

Die australische Tragödie

Australien ist der Kontinent mit schier unendlichen Problemen durch eingeführte Organismen, Tiere und Pflanzen aus aller Welt. Das weiß man.
Dennoch haben uns einige Erfahrungen auf unserer Reise durch das südliche Westaustralien tief betroffen gemacht.

Bild 1 ist alles andere als „schön“, aber es stellt gleich zwei Probleme dar, die zwar beide schon älter, aber noch immer höchst aktuell sind.

Da ist links ein Stückchen verrosteter Maschendraht, und rechts davon ein abgestorbener Strauch, der einmal eine wunderschöne Banksia war und jetzt von einem anderen Strauch überwuchert wird.
Bild 2 zeigt eine der Banksia-Arten lebend, zum Vergleich.

Der Draht steht für die Kaninchenplage, der Strauch für eine Pilzerkrankung, das „Dieback“ („Absterben“), oder „Root rot“ (Wurzelfäule), das gerade in den Nationalparks unaufhaltsam die einzigartige endemische Flora dahinrafft.

Gegen die von Europäern eingeführten Wildkaninchen ist man mit der Ausbringung des Erregers der Myxomatose vorgegangen, man hat europäische Füchse eingeführt, und was-weiß-ich-noch-alles unternommen. Eine der spektakulärsten Maßnahmen war es, „kaninchendichte“ Zäune quer durch den Kontinent zu ziehen, die das Vordringen vom Osten in den Westen verhindern sollten.

Unser Zaunstückchen in Bild 1 ist ein Rest, eine Art Denkmal, so wie die Reste der „Berliner Mauer“. Fotografiert habe ich es am 7. Oktober 06 nahe Point Ann an der Südküste des Fitzgerald River National Park („nahe“ dem Ort Bremer Bay).

Eine Informationstafel gibt Auskunft:
Bild 3 „Wanted! Rabbits dead.
Gesucht! Kaninchen, nicht „tot oder lebendig“, sondern wirklich tot.
Weil sie die einheimische Flora fressen, die Bilbies*) aus ihren Wohnröhren verdrängen, mit einheimischen Tieren um Futter und Wohnplätze konkurrieren, das für die Schafzucht notwendige Gras abweiden, Feldfrüchte vernichten, Wasser unbrauchbar machen, die Bodenerosion fördern und letztlich sogar Farmer zum Aufgeben zwingen.
( *) Bilby: Hyperlinks sind nur für registrierte Nutzer sichtbar mit Bild)

In Bild 4 habe ich den Kartenteil aus Bild 3 etwas vergrößert. Er zeigt die Dimensionen der Karnickelzäune in Westaustralien.

Das Foto (Bild 1) ist unten, bei Point Ann, aufgenommen („You are here“). Der Zaun erstreckte sich einst (zwischen 1901 und 1962, also 61 Jahre lang!) über sage und schreibe Eintausendachthundertundsiebenundzwanzig Kilometer, bis in die Gegend von Port Headland im Norden.

Zusätzlich gab es einen zweiten Zaun von 1.164 km, zwischen 1904 und 1960 betrieben, und von diesem aus noch ein Stück von 257 km an die Westküste.

Diese Zäune mussten nicht nur aufgestellt werden, man musste sie auch unterhalten: Ganze Dynastien von Zaunwärtern haben täglich die Zäune kontrolliert, repariert, offen gelassene Durchgangstore geschlossen und so weiter. Die Patrouillen erfolgten zu Pferd, auf dem Esel oder Kamel, mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß. Was das gekostet hat!
Und alles war für die Katz’. Inzwischen sieht man die Kaninchen überall, es sind die mit Abstand häufigsten Säugetiere, denen man in Westaustralien begegnet.

Die zweite hier dargestellte Seuche, das „Dieback“, ist ebenfalls nicht einheimisch: Es ist ein tropischer Pilz, Phytophthora cinnamomi, der auch bereits vor langer Zeit in den Osten Australiens eingeschleppt wurde, vermutlich von Europäern, die ihn aus Südostasien mitgebracht hatten.

Bild 5 informiert darüber:
„---- Viele der Pflanzen, die auf diesen Bergen wachsen, sind nirgendwo sonst zu finden.
Leider ist ihre Fortbestand gefährdet durch das „dieback“ (Phytophthora cinnamomi), eine Pflanzenkrankheit, die viele der farbenfrohen Wildblumen tötet, aus denen diese montane Pflanzengesellschaft besteht.--- Bitte bleiben Sie auf den Wegen“.

„Bitte bleiben Sie auf den Wegen“: Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, die weitere Ausbreitung des Pilzes zu bremsen. So hofft man zumindest.

Es ist bekannt, dass der Pilz in feuchter Erde gedeiht und die Pflanzenwurzeln attackieren kann. So weiß man auch, dass er erst ab einer Jahresniederschlagsmenge von etwa 400 mm sein vernichtendes Werk verrichtet. Deshalb sind etwas höhere Lagen im Bergland mehr gefährdet als heiße und trockene Ebenen.

Auch Kulturpflanzen werden befallen, etwa Kakao, Ananas und Avocado. Aber auf landwirtschaftlichen Flächen kann man rigorose Bekämpfungsmethoden einsetzen, anders als in den empfindlichen, austarierten Ökosystemen in den Nationalparks.

Viele Einzelheiten sind dieser Seite zu entnehmen: Hyperlinks sind nur für registrierte Nutzer sichtbar

“Die Ankunft und Ausbreitung von Phytophthora cinnamomi in Westaustralien hatte katastrophale Folgen für die Lebensgemeinschaften einer Reihe von südwestaustralischen Ökosystemen. Darüber hinaus wurde der Pilz zum Problem für Straßenbau, Holzeinschlag, Bergbau und andere Industriezweige, nachdem klar wurde, dass Erdbewegungen den wichtigsten Weg für die Ausbreitung des Erregers darstellen.“

„Nicht weniger als 2.000 der 9.000 einheimischen Pflanzenarten in Südwestaustralien werden von der Wurzelfäule, dem „dieback“, befallen. 92 % der Proteaceae (wozu die Banksien gehören) und hohe Prozentsätze der Arten anderer einheimischer Pflanzenfamilien sind bedroht.“

„Zunehmend stellt sich heraus, dass die dramatische Wirkung von P. cinnamomi auf die Pflanzengesellschaften auch den erheblichen Rückgang einiger Tierarten zur Folge haben kann, aufgrund des Verlustes von Nahrungspflanzen und Unterschlupfmöglichkeiten.“
Und so weiter…..

Gegen die Ausbreitung der Seuche kann man wenig tun. Man hat es mit Phosphit versucht, und man testet verschiedene andere Chemikalien.
Aber als Hauptmaßnahmen zur Begrenzung des ökologischen Schadens bleiben bis heute Quarantäne und Hygiene, insbesondere die Verhinderung des Transports von infiziertem Boden in noch nicht befallene Gebiete.

Das hört sich ganz gut an. Die Wirklichkeit aber sieht so aus, wie ich es in Bild 6 festgehalten habe, mehr schlecht als recht wegen ungünstiger Lichtverhältnisse:

Am Beginn und Ende von Wanderwegen in Nationalparks steht eine niedrige Blechkiste mit Deckel. Den soll man anheben und zurückschieben. Darin befindet sich eine Bürste, mit deren Hilfe man die anhaftende Erde von seinen Schuhen kratzen und in die Kiste bürsten möge.
Ob es gelingt, die allenthalben umherhüpfenden Kängurus zu dieser Hygiene-Maßnahme zu überreden?

Weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung unerwünschter Einwanderer richten sich gegen den europäischen Rotfuchs und gegen verwilderte Hauskatzen. Sie fressen sich durch die bedrohte einheimische Fauna von kleinen Beuteltieren.

Die Bekämpfung basiert auf einer interessanten Beobachtung: Viele einheimische Pflanzen Australiens wehren sich gegen das Gefressenwerden mit einem Gift, das sie selbst synthetisieren, Natriumfluoracetat. Die heimische Tierwelt hat sich über Jahrmillionen im evolutionären Wettstreit mit ihren Futterpflanzen an immer höhere Dosen dieses Giftes angepasst. Für die eingeschleppten Europäer ist es hoch giftig!

So bringt man Fleischköder mit diesem natürlichen Gift aus, per Flugzeug (so wie bei uns die Tollwut-Impfköder für Füchse), und über riesige Flächen hinweg, etwa einmal im Vierteljahr.
Füchse und Katzen sterben daran (leider nicht alle!).

Natürlich würden auch wildernde Hunde, oder solche, die man im Busch frei laufen lässt, an diesen Ködern eingehen. Und weil Menschen oft so wenig Denkvermögen haben, stehen überall Warnschilder „Poison 1080 risk area“, mit dem Zusatz, dass man hier seinen Hund besser nicht laufen lässt….
Auch gegen verwilderte Hausziegen lassen sich „poison 1080“-Köder, halt auf pflanzlicher Basis, mit Erfolg einsetzen.

Ein großes, seit 1996 laufendes Projekt ist der „Western Shield“:
Hyperlinks sind nur für registrierte Nutzer sichtbar

Man versucht, große Bereiche des Landes von den eingeschleppten Tierarten zu befreien, deren erneute Zuwanderung aus benachbarten Arealen zu unterbinden, und zum Teil in Gefangenschaft mühsam nachgezüchtete einheimische Arten wieder anzusiedeln. Zehn bereits ausgestorbene Beuteltierarten und Dutzende, die am Rande der Auslöschung stehen, sind wahrhaft genug, man muss etwas unternehmen.

Eine der Absperrmaßnahmen haben wir kennen gelernt, als wir zur Shark Bay fuhren. In die Straße war ein Gitterrost eingelassen (sieht man bei uns gelegentlich auf Alpensträßchen, die durch Viehgatter führen), rechts und links grenzte ein martialisch aussehender Zaun an, der sich in beiden Richtungen ins Nirgendwo verlor.

Ich hielt an um mir die Sache etwas näher anzusehen, ging bei dieser Gelegenheit hinter einen Busch am Straßenrand. Und wurde durch lautes Hundegebell gestört….?? Hunde hier?? -
Auf einem Zaunpfosten war eine Solarzellenanlage montiert, darunter ein Kästchen mit Lautsprechern. Das künstliche Hundegebell, etwa alle zwei Minuten, sollte wohl Füchse und Katzen auf Abstand halten.

Was man nicht alles tun muss, um invasive exotische Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen aus natürlichen Ökosystemen fern zu halten, und wie wenig man tun kann, wenn das Unglück erst mal eingetreten ist, das wurde uns anhand dieser Erlebnisse und Beobachtungen nur allzu deutlich!

MfG
Earlant
Dateianhänge
38- 071 Austral. Tragödie web.jpg
Bild 1: Ein Denkmal: Kaninchenzaun und abgestorbene Banksia.
38-060 Banksia web.jpg
Bild 2 zum Vergleich: Eine prächtige, lebende Banksia!
038-072 RabFence web.jpg
Bild 3: Warum sind Kaninchen so schädlich?
038-072 RabFence details web.jpg
Bild 4: Kaninchenzäune in Westaustralien
38-143 Dieback Info web.jpg
Bild 5: Der Einfluss des „Dieback“ auf die Berg-Wildblumengesellschaft
38-073 Schuhbürste web.jpg
Bild 6: Hax’n abkratzen! Am Anfang eines Wanderweges
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Re: Die australische Tragödie

Beitragvon Carina » 5. Feb 2010 19:25

Da hast du echt einen packenden Bericht geschrieben der zum Nachdenken anregt :? Was der Mensch so anrichten kann wenn er ohne sich große Gedanken zu machen ein paar Kaninchen in ein fremdes Land bringt.
Ich finde es wirklich lobenswert von dir, so einen langen Bericht zu verfassen und für uns in das Forum zu stellen. Vielleicht sollten wir ein bisschen über Intraspezifische Homogenisierung bei Ameisen nachdenken und acht geben das keine unserer Meisen auskommt und schon garnicht ihren Weg in die freie Natur schaft :!:
Carina
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